Für den Klang eines Streichinstruments haben die Saiten und deren Qualität eine besondere Rolle – sie erzeugen den Ton. Der Korpus dient insofern lediglich der Verstärkung der von den Saiten hervorgerufenen Schwingungen. Deswegen ist die Auswahl der zum Instrument passenden Saite ein wichtiger Aspekt bei der Umsetzung der persönlichen Klangvorstellungen und der Optimierung des Klangs.

Bereits in prähistorischer Zeit wurden Pflanzenfasern und Tiersehnen als Saiten verwendet. In den Hochkulturen Vorderasiens kamen auch Roßhaar, Seide und Darm zur Verwendung, und auch die antiken Mittelmeervölker benuzten Darm zur Saitenherstellung. Eine amerikanische Mission fand in Ägypten das Grab des berühmten Musikers Harmosis, der zur Zeit der Königin Hatschepsut (1520 bis 1484 v.Chr.) gelebt hat. Im Grab des Künstlers, der um 1500 v.Chr. starb, fand man seine Laute unversehrt. An dem Instrument, das im Museum in Kairo ausgestellt ist, befinden sich noch die Original-Darmsaiten.

Für Darmsaiten ist im Englischen ist bis heute der irreführende Begriff “Catgut” (= Katzendarm) gebräuchlich. Den Ursprung dieses Begriffes erklärt eine Anekdote: um 1300 herum entdeckten italienische Sattelmacher in dem kleinen Ort Salle/Pescara, daß der Darm der wilden Bergschafe der Region, den sie zum Vernähen der Sattel benutzten, sich besonders gut als Saite für Musikinstrumente eignet. Die Saitenherstellung wurde rasch zur wichtigsten Industrie des Ortes. Um sich gegen Konkurrenz zu schützen, wurde die wahre Herkunft des von ihnen verwendeten Darmmaterials verheimlicht, und behauptet, es handele sich um Katzendarm. Um Katzen rankten sich damals einige Aberglauben, und das Töten von Katzen galt als unheilbringend – so hoffte man, potentielle Nachahmer abzuschrecken.


Um 1650 begann man, auch umsponnende Saiten herzustellen: um den Kern (”Seele”) herum wird spiralförmig ein Mantel aus dünnem Draht gewickelt. Umsponnene Saiten weisen gegenüber vergleichbaren blanken Saiten eine geringere Steifigkeit auf. Durch die Umspinnung erhöht sich die schwingende Masse einer Saite, ohne die Elastizität zu beeinträchtigen. Dünnere Saitendurchmesser und kürzere Mensuren werden somit möglich.


Bevor die Umspinnung erfolgt, wird der Kern oft mit Seiden- oder Kunststoff-Fäden unflochten. Das dient sowohl dem festen Sitz der Umspinnung, als auch der Dämfung der Saite. Beim gestrichenem Spiel eleminiert diese Dämpfung unerwünschte Schwingungen, und sorgt so für eine gute Ansprache. Gleichzeitig mindert sie aber auch die Klangdauer der Saite, was wiederum das Pizzicato-Spiel beeinträchtigt.

Neben der Dämpfung einer Saite ist auch ihre Torsionssteifigkeit (oder auch Torsionswiderstand) eine Eigenschaft, die für die Eignung einer Saite zum Streichen oder Zupfen ausschlaggebend ist. Beim Spiel mit dem Bogen werden die Saiten von den Bogenhaaren “mitgenommen” und in Längsrichtung verdreht. An einem für jede Saite spezifischen Punkt ist der Torsionswiderstand größer als die Reibung der Bogenhaare. Die Saite “reißt sich los” und dreht sich zurück, bis sie vom Bogen erneut verdreht wird, und der Vorgang sich wiederholt. Dieses zackenartige Schwingungsverhalten der gestrichenen Saite wird auch als Sägezahnschwingung bezeichnet.

Zum Streichen sind torsionssteife Saiten besser geeignet, während für Pizzicato gerne nachgiebigere Saiten verwendet werden.


Klang und Bespielbarkeit einer Saite hängen von verschiedenen physikalischen Eigenschaften ab. Die wichtigste ist die Saitenspannung. Für eine bestimmte Tonhöhe ergibt sie sich aus den Variablen Länge und Masse. Während die Länge der Saite durch die Mensur des Instruments festgelegt ist, ist ihre Masse abhängig von der Kraft, die zum Stimmen auf eine bestimmte Tonhöhe aufgewendet wird. Aus der Saitenspannung resultiert der Druck, den sie auf den Steg und somit auf die Decke ausübt. Saitendruck einerseits und die Eigenschaften von Decke und Bassbalken, sowie Position und Größe des Stimmstocks andererseits sind die wichtigen Größen, die im Wechselspiel das Schwingungsverhalten der Decke und somit den Klang bestimmen. Für die Bespielbarkeit gilt: je geringer die Spannung einer Saite, desto größer die Amplitude ihrer Schwingung. “Weiche” Saiten (z.B. Darmsaiten) brauchen deswegen eine etwas höhere Saitenlage als Saiten mit hoher Spannung.

Unterschiedliche Saitenstärken haben direkte Auswirkung auf den Klang: eine leichte, dünne Saite schwingt zwar aufgrund der geringeren Masse stärker und länger, aber gibt weniger Energie an Steg und Instrument weiter. Das führt einerseits zu einer guten Ansprache und langem Tonklang, andererseits zu einem eher leisen Ton. Stärkere bzw. dickere Saiten mit hörerer Saitenspannung erzeugen hingegen einen lauteren Ton, erfordern dafür jedoch mehr Kraft beim Spielen.

Zu hoher Druck auf die Decke kann sich negativ auf den Klang auswirken.

Ist die Balance zwischen Saitenspannung und Instrument nicht optimal, ergeben sich zwei Ansätze für eine Verbesserung von Klang und Bespielbarkeit. Zum einen läßt sich durch den Wechsel die Saitenspannung verändern. Zum anderen kann durch mehr oder weniger große Veränderungen an Steg oder Sattel der aus der Saitenspannung resultierende Saitendruck angepaßt werden. Je niedriger der Steg, desto niedriger der Saitendruck auf die Decke, und umgekehrt. Je höher der Untersattel, desto flacher der den Winkel des Saitenhalters, desto geringer der Druck auf die Decke.

Um herauszufinden, ob sich der Klang mit höherer oder niedriger Spannung verbessert, kann man die Saiten zur Simulation halbtonweise herauf- oder herunterstimmen. Je nach Ergebnis kann man dann den Saitentyp gezielt wechseln: wenn das Instrument nach dem Herunterstimmen besser klingt, sollte man dünnere, leichtere Saiten ausprobieren, und wenn es durch Heraufstimmen besser klingt, stärkere. Viele Hersteller bieten ihre Saiten in verschiedenen Stärken an, so z.B. weich, mittel, stark. Diese Stärkeangaben der Hersteller sind relativ, und “weiche” Saiten des einen Herstellers entsprechen nicht unbedingt denen anderer Hersteller. Etwas aussagekräftiger sind hier schon die Angaben in physikalischen Maßeinheiten wie kg, lbs oder kp.

Darmsaiten sind vergleichsweise anspruchsvoll. Sie haben als Naturprodukt die unliebsame Eigenschaft, stark auf Witterungseinflüsse zu reagieren, und bei Temperatur- und Feuchtigkeitsschwankungen nur schlecht die Stimmung zu halten. Blanke Darmoberflächen reagieren empfindlich auf den Handschweiß, und neigen zum Ausfransen oder Unebenheiten in der Oberfläche. Deswegen werden die Saiten geölt (mein Tipp:  Mandelöl!), und sind auch lackiert erhältlich (dann neigen sie meiner Erfahrung nach aber eher zum Pfeifen - E-Saite!). Darmsaiten zeichnen sich durch einen dunklen und weichen, aber dennoch durchsetzungstarken Klang aus. Sie waren bis zum 1. Weltkrieg bei allen Streichinstrumenten Standard.

Hersteller sind beispielsweise Bernd Kürschner, Damian Dlugolecki, Aquila, Barocco, Gamut Strings, Nick Baldock – allesamt Hersteller, die sich auf solche Darmsaiten spezialisiert haben. Aber auch große Hersteller wie Pirastro (Chorda) bieten heute zunehmend wieder solche Saiten an.


Ich habe ein Foto einer original erhaltenen E-Saite (mit 71 mm Durchmesser!)  sowie eines Kuverts mit verschiedenen Saiten von Paganini gefunden:
















Die Saitenstärken, die Paganini demnach gespielt hat:  E: 0,71 mm; A: 0,91 mm; D: 1,16 mm

(ich habe diese Saitenstärken selbst ausprobiert - die D Saite war fast nicht in Gang zu bringen!)

hier können Sie sich noch ein interessantes Video über die Saitenherstellung der Firma „Aquila“ in Vicenza anschauen (Quelle:  YouTube)